Die Tat und der Täter

Die nachhaltige Misshandlung, so wie ich sie empfunden habe, ist nicht nur eine beliebige Kette von Einzeltaten, sondern es handelt sich hierbei um eine sehr komplexe und perverse Strategie. Frau Marie-France Hirigoyen beschreibt dies in ihrem Buch: „ Die Masken der Niedertracht“ klar und anschaulich. Anhand dieses Buches erfolgen die nachfolgenden Ausführungen in verkürzter Form. An dieser Stelle möchte ich mich aber zunächst bei Frau Jenny Roysten vom Verlag C.H. Beck und bei Frau Hirigoyen für die freundlich erteilte Abdruckgenehmigung bedanken.

 

Es ist sehr leicht, Kinder zu manipulieren. Diese suchen immer nach Entschuldigungen für die, die sie lieben. Ihre Nachsicht ist grenzenlos, sind bereit ihren Eltern alles zu verzeihen, die Schuld auf sich zu nehmen, zu verstehen, den Versuch zu machen zu begreifen, weshalb einer ihrer Eltern unzufrieden ist. Ein häufig eingesetztes Mittel, um ein Kind zu manipulieren, ist die Erpressung mit Leid (Pelzmert, Erziehungsheim Schönbühl, in den dunklen Keller sperren). Der Täter rechtfertigt sich, indem er erklärt, dass er im Interesse des Kindes handle, zu einem erzieherischen Zweck. Niemand außer dem Opfer kann es wahrnehmen, aber die Zerstörung ist real. Das Kind ist unglücklich, aber es gibt objektiv nichts, worüber es sich beklagen könnte. Das misshandelte Kind wird einfach als Quälgeist abgestempelt.

 

Bei der perversen Strategie darf man den anderen nicht sofort vernichten, sondern muss ihn nach und nach unterwerfen und ihn zur Verfügung halten. Es ist wichtig, die Macht zu behaupten und zu überwachen. An Anfang, vor allem bei Kindern, wird die Unterwerfung hingenommen als Notwendigkeit, sich dankbar zu zeigen; es scheint besser zu sein als Verlassenheit. Da der Täter wenig gibt und viel verlangt, ist Erpressung impliziert, zumindest die Vermutung: „ Wenn ich mich fügsamer zeige, wird er mich endlich achten und lieben können“. Doch das Gegenteil tritt ein: Dieses Betteln nach Liebe und Anerkennung löst bei dem Täter aber nur Hass und Sadismus aus.

Der Aggressor hält sein Opfer in einem Zustand der Anspannung, der einem permanenten Streßzustand gleichkommt.

 

Die Verteidigungshaltung, in die das Opfer gedrängt wird, treibt es zu Verhaltensweisen, die die Umgebung reizen. Es wird streitsüchtig oder zum Jammerlappen oder von fixen Ideen verfolgt. In jedem Fall verliert es seine Ursprünglichkeit. Die Umgebung versteht es nicht und wird zu einer negativen Meinung über das Opfer verführt. Mit einer „verzerrten“ Kommunikation wird der Zweck verfolgt, das Opfer zu „benützen“, damit es nur ja nicht merkt, was hier gespielt wird. Das Bestreiten eines Vorwurfs oder Konflikts seitens des Aggressors lähmt das Opfer, das sich nicht wehren kann. Sich dem Dialog zu entziehen ist ein geschickter Trick, den Konflikt zu verschärfen und ihn dabei auch noch dem anderen zur Last zu legen. Das Recht, angehört zu werden, wird dem Opfer verweigert.

 

Bei dieser Form von Aggression geht es um den Versuch, das Opfer zu erschüttern, ihn zweifeln zu lassen an seinen Überzeugungen, seinen Empfindungen. Das Opfer verliert dabei das Bewusstsein seiner Identität. Die Kommunikation besteht oft aus subtilen und paradoxen Botschaften, die nicht sofort als aggressiv oder zerstörerisch wahrgenommen werden, weil andere Botschaften, zur selben Zeit ausgesandt, sie verwischen. Es geht darum, jemanden jede gute Eigenschaft zu nehmen; ihm zu sagen und zu wiederholen, dass er nichts wert ist, bis man ihn soweit gebracht hat, dass er es selbst glaubt. Falls die Worte sich an ein Kind richten, so werden sie verinnerlicht (Prägung), als wahr angesehen.

Man wird zur Null, weil der Täter verfügt hat, dass man eine sei. All diese Strategien sind dazu bestimmt, den anderen niederzumachen , um sich selber besser in Geltung zu bringen.

 

Ein Prozess der Beherrschung nimmt seinen Lauf: Das Opfer unterwirft sich, es wird unterjocht, überwacht und manipuliert. Wenn es rebelliert, wird man seine Aggressivität und seine Bosheit anprangern. Der Täter schafft dieses Verhältnis der Beeinflussung nur zu seinem Vorteil und auf Kosten der Interessen des anderen. Die Beherrschung ist hinterhältig und wird abgeleugnet. Die Unterwerfung des anderen genügt nicht, man muss sich seines Wesens bemächtigen.

 

In dem Moment, da das Opfer den Eindruck erweckt, ihm zu entschlüpfen, überkommt den Aggressor ein Gefühl von Panik und Raserei; er tobt. Wenn das Opfer ausspricht, was es empfindet, muss man es zum Schweigen bringen. Das Opfer macht sich in jedem Fall und ständig des Delikts der bösen Absicht schuldig. Die Aggression wird in kleinen Dosen verabreicht, wenn Zeugen zugegen sind. Wenn das Opfer reagiert und der Provokation in die Falle geht, indem es den Ton hebt, so scheint es, als sei es das Opfer, das aggressiv ist, und der Aggressor spielt sich als Opfer auf.

 

Der Schwachpunkt, an den sich die Täter ihrem Opfer heranmachen, liegt meistens im Bereich des Gefühls von Abwertung und Schuld. Das simpelste, um den anderen zu destabilisieren, ist es, ihn dazu zu bringen, sich Schuldgefühle einzureden. Die eigentliche Stärke der Täter ist aber ihre Gefühlslosigkeit. Sie kennen keinerlei Skrupel moralischer Art. Sie leiden nicht. Sie greifen völlig ungestraft an. Die Wirksamkeit ihrer Angriffe beruht auf der Tatsache, dass die Opfer oder der außenstehende Beobachter sich nicht vorstellen können, dass man vor dem Leiden des anderen so gefühllos, so mitleidslos sein kann. Frau Hirigoyen bezeichnet in ihrem Buch „Menschen“ mit so einem Profil als narzisstische Perverse, die es vorziehen mittelbar zu töten - oder, genauer, den anderen dahin zu bringen, sich selbst zu töten (>Himmelfahrt). Dieser Typus hinterhältiger Gewalt wurde von Reynaldo Perrone „Strafgewalt“ genannt. In diesem Fall gibt es keine Pause, keine Versöhnung – daher diese versteckte, intime Gewalt, die sich hinter verschlossenen Türen abspielt. Nichts sickert nach draußen. Derjenige, der dem anderen das Leid auferlegt, ist der Meinung, dieser verdiene es und habe kein Recht, sich zu beklagen.

 

Wie soll man mit all dem fertig werden? Die Opfer fühlen sich alleingelassen. Wie soll man aber „draußen“ darüber sprechen? Die heimliche Zerstörung lässt sich nicht in Worte fassen. Im allgemeinen hält die Umgebung – selbst die nahe – lieber Abstand: „ Da wollen wir nicht hineingezogen werden“ Wenn sich die Opfer nicht mehr fügen können, müssen sie revoltieren und kämpfen, um fortzugehen. Dieser Befreiungsprozess vollzieht sich unter Schmerzen und Schuldgefühlen, da die narzisstischen Perversen sich als im Stich gelassene Opfer aufspielen und damit eine neuen Vorwand finden für ihre Gewalt. Bei dem Trennungsvorgang halten sich die Perversen immer für die Geschädigten und werden nicht selten prozeßsüchtig.

(Gerichtsverhandlung am 18.01.12, Amtsgericht Schorndorf)

 

Ich danke Frau Hirigoyen, dass sie mich mit ihrem Buch auf einer wichtigen Strecke eines langen Leidensweg begleitet hat.

Wenn Behauptungen von Kindesmisshandlung durch das Opfer an die Oberfläche kommen, ist es eine besonders abscheuliche Form von emotionaler Misshandlung, Druck (Klageandrohung und Klage wegen Unterlassung) und  auf das kranke und schwerbehinderte Opfer auszuüben, die Behauptung zurückzunehmen, indem man sagt, er oder sie "schade der Familie," indem er oder sie die Wahrheit sagt. Und genau dasselbe gilt, wenn ein Kind gezwungen wird, die Lüge von einem "liebenden" Elternteil aufrechtzuerhalten. (Quelle: Andrew Vachss)

Das angerichtete Unheil kann offensichtlich noch nicht groß genug sein. Man muss dem Opfer auch noch eine gerichtliche Auseinandersetzung aufbürden. Aber wenn das Umfeld des Täters ihn dabei noch tatkräftig unterstützt, aus welchen Gründen auch immer. Dies ging sogar soweit, dass ihn eine Sympathisantin (Anna Zimmerhackel) aus Schorndorf zur moralischen Unterstützung bis auf das Gericht begleitete um ihm so den Eindruck zu vermitteln er wäre im Recht und es sei richtig das Opfer noch mehr zu schädigen. Eine solche respektlose und niederträchtige Unterstützung von Tätern macht es den Opfern nicht einfacher mit den lebenslänglichen Misshandlungsfolgen umzugehen. Dass solche Befürworter von Kindesmisshandlung, als legitime Form der Erziehung oder zur Belustigung innerhalb der Verwandtschaft, ihre Gesinnung so öffentlich und unverblümt und auch noch im Beisein des Opfers zur Schau stellen, habe ich wie einen Schlag ins Gesicht empfunden. Solche Handlanger schaffen den Nährboden für weitere Taten und helfen dem Täter sein Handeln zu legitimieren. Ein solche Handlungsweise ist im hohen Maße unverantwortlich und ein Verbrechen an künftigen Generationen, weil es potentielle Täter ermuntert und künftige Vergehen fördert. Ohne solche Handlanger könnten viele Misshandlungen vermieden werden.

Dabei sind die Handlanger von den gleichen narzisstischen Perversion getrieben wie der Täter selbst. Sie bewundern den Täter weil er das tut, wozu sie sich selbst nicht trauen. Diese Bewunderung verleitet den Täter zu weiteren noch schlimmeren Taten, er kann sich im Laufe der Zeit sicher sein, dass ihm die Lacher mit großem Beifall zur Seite stehen. Das Publikum glaubt das Schauspiel ohne eigene Verantwortung genießen zu können. Als Geschädigter hat man allerdings ein völlig anderes Rechtsempfinden.

 

Warum hat mir als Kind niemand geholfen?

 

Warum haben sie sich an meinem Leid ohne Ausnahme amüsiert. (Schadenfreude?) und dadurch den Schaden nachhaltig verstärkt?

 

Warum haben sie den Täter zu weiteren Misshandlungen bestärkt und unterstützen ihn noch weiter, obwohl die Folgen der Misshandlungen und die dadurch resultierende Schwerbehinderung durch ärztliche Atteste belegt ist?

 

Welche Ziele verfolgen sie?

Warum haben sie ein Interesse meine Situation weiter zu verschlimmern?

 

Die Beantwortung und insbesondere die juristische Bewertung überlasse ich den Rechtsgelehrten. Der interessierte Leser kann sich seine eigene Meinung bilden. Aufgrund der zahlreichen Gästebucheinträgen, für die ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanke, fühle ich mich zwischenzeitlich bestärkt, dass es auch noch Menschen gibt deren geistiges und emotionales Niveau weit über dem, der sogenannten Handlanger liegt. Menschen für die Mitgefühl, Zivilcourage, Gerechtigkeitsempfinden, Unrechtsbewusstsein, Verständnis und Unterstützung keine Fremdworte sind.